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Das Vogelschießen

Der Schuss nach dem Vogel erfolgt zumeist auf einen Adler, denn dieser gilt als Symbol und Attribut göttlicher Macht in zahlreichen Kulturen dieser Erde. Allerorts wo indogermanische Stämme kreuzten ist das altgermanische Brauchtum überliefert. Über russischen Boden getragen in die Mongolei, Indien und China. Erwähnt in der Ilias des Homer. Aufzeichnungen aus der Zeit davor, in welcher nur die allerwenigsten das Lesen und das Schreiben beherrschten, konnten nur durch Wiedergabe von künstlerischen Darstellungen, die auf eine natürliche Wiedergabe der Dinge und der Umwelt abzielte, erfolgen. Bei den Brüdern Grimm im Märchen vom "goldenen Vogel", ist zu lesen: "Im Garten eines Königs stand ein Baum der goldene Äpfel trug, sobald diese reif waren, fehlte trotz strengster Bewachung über Nacht stets eine der reifen Früchte". Der König wurde um sein höchstes Gut beraubt, sinnbildlich verlor er damit Macht, Kraft und Bedeutung, er war dadurch ein armer hilfloser Mann geworden! "Der jüngste Sohn des Königs übernahm eines Tages mit einer Armbrust bewaffnet die Wache". – gleich vorweg, er war erfolgreich! – "Nach Mitternacht begann in der Luft ein Rauschen und ein Riesenvogel ließ sich im Geäst des Baumes nieder und raubte einen Apfel. Der junge Prinz schoss, - der Vogel war unverletzbar - nur eine Feder verlor dieser aus seinem Gefieder und diese war aus purem Gold." Für den König, Apfel gegen Feder, war es kein Verlust, aber sein Ansehen blieb angekratzt! "Ist die Feder auch kostbar, so hilft mir die eine nichts, ich will und muss den ganzen Vogel haben". Bis hierher gleichen sich Märchen in Finnland als "Goldvogel", in Bulgarien von den "goldenen Äpfeln und den Pfauhennen" sowie auf dem Balkan, vom "Goldäpfelbaum und der Höllenfahrt".

Bei der Wiederbeschaffung des höchsten Gutes verzweigen sich Dichtung und Brauchtum. Der Schuss nach dem Vogel ist am gesellschaftsfähigsten und erlaubt es gleichzeitig mehreren Personen sich unmittelbar daran zu beteiligen. Wir kennen alle den Drachenstich, die Deutung ist die gleiche wie vorher erwähnt, die Tötung des Drachens wird einem Heiligen zugedacht und dieser danach als ein mutiger Held gefeiert. Der Greif als Wächter am Lebensbaum und das "Wilde Männer Spiel" stützt sich auf Fabelwesen, Geister und Dämonen welche es gilt mit List zu überwinden. Überlieferungen gleichen sich, ob aus Indien, Persien oder aus dem südeuropäischen Raum und den Alpenländern. Auch hier geht es um die Wiederbeschaffung des höchsten Gutes.

Kommen wir zurück zum "Schuss nach dem Vogel", leicht ist es nicht einen Vogel zu treffen, der, vom Laub verdeckt hoch oben im Geäst des Baumes sitzt und so verhilft bereits ein Schuss, wenn er auch das Ziel verfehlt, dem Schützen zu "Lebenskraft, geistiger und körperlicher Gewandtheit, Kraft und Gesundheit", wer trifft wird zusätzlich mit einer "goldenen Feder" belohnt!

Das kommt uns schon bekannter vor und das kennen wir – hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! Die Perser mit Aladins Hilfe aber auch, denn die haben schon mit Pfeil und Bogen auf lebende Hähne geschossen, die auf Stangen in Körperhöhe aufrecht stehend, gefesselt waren und regelrecht vom Stäng'la geholt wurden! Mit Gründung der Städte finden neben Vorderladern auch die Armbrust als Waffe beim Bürger Verwendung, beide eignen sich nicht nur für die Verteidigung sondern auch zum Vogel-, Stern- und Scheibenschießen. Bis dahin begnügte man sich auf dem Lande mit dem "Hennen schlagen", in den Städten mit dem "Gänserich reiten". Durch das Handwerk in den Städten und dem damit verbundenen Zunftwesen kommt es, anders als auf dem Lande, zur Gründung von zunftorientierten Schützengilden – Schützen kommt von beschützen – das Brauchtum in den Städten und das auf dem Lande ergänzen sich gegenseitig. Bringt man alles auf einen Nenner, so sind die hauptsächlichen Merkmale des Vogelschießens mehr oder weniger Bestandteile des früheren städtischen Schützenwesens, dieses galt als Garant zur Wahrung städtischer Freiheit – Stadtluft macht frei! - und diente gleichzeitig als bürgerlicher Ersatz für die ritterlichen Kampfspiele und Waffenübungen des Adels. Über Ritterspiele berichten zahlreiche Minnesänger, über das Tun der Schützengilden hingegen wird nur berichtet, wenn es galt, deren Tätigkeiten durch kirchliche und staatliche Verbote einzuschränken.

Der Vogel, ein- oder doppelköpfig dargestellt, befand sich als Ziel entweder auf einer hohen Stange oder aber vor einer Mauer aus ungebrannten Lehmziegeln. Bei Betrachtung alter Stiche fallen, außerhalb der Stadtmauern senkrecht stehende Stangen auf, dies sind die Vogelbäume. Vogelschießen brachte Abwechslung in die vorgeschriebenen, der Verteidigung dienenden Schießübungen und war ein gesellschaftliches Ereignis. Da wurde gefeiert mit Umtrunk und Festmahl, alles genau festgelegt in den Statuten der Gilden. Auch hierüber wird leider nur dann berichtet, wenn derartige Veranstaltungen das Missfallen irgend- eines geistlichen Chronisten erregten. Na ja, auch dies hatte sein Gutes, denn sonst wüsste man ja so gut wie nichts über das mittelalterliche Schützenwesen. So wie jedes Jahr die Zugvögel wiederkehren, genauso wird alljährlich das Vogelschießen abgehalten und daran hat sich bis heute nichts geändert – "Vuglschieß‘n bleib do"

Abgeschossen wurde entweder nach einer zwingend vorgeschriebenen Reihenfolge, oder aber von außen nach innen, der Korpus war stets das letzte Teil – vorbehalten für den Königsschuss! Wurde auf die Stange geschossen, so wurden die Spreiß'l gewogen und wer zum Schluss das meiste Holz – Spreiß'l und/oder Vogelteile - vorweisen konnte bzw. auf die Waage brachte, war der König. Sicher gab es da vielseitige Methoden um zu Königswürden zu kommen. Wird der Schützenkönig auf einer Königscheibe ermittelt, dies ist regional verschieden üblich, so kann dies durch einen Tiefschuss oder aber über Serienwertung erfolgen, der erfolgreichste Schütze auf den Vogel ist dann der Schützen- oder Vogelkönig. Im gildefreien ländlichen Bereich, dort wo die Teilnahme am Vogelschießen eine Ehrensache der gesamten Bevölkerung war, wird einem – aus welchem Grunde auch immer, am Abschuss gehinderten Schützen – stets ein weiterer Schütze und dies ist ebenso Ehrensache, zur Seite gestellt. Gelingt diesen Schützen der Königsschuss, so ist der "Verhinderte" der Schützenkönig und der "Erfolgreiche" der Vogelkönig d. h. in diesem Fall wird dem Schützenkönig stets ein Vogelkönig beigegeben. Schützen- wie auch Vogelkönige genossen während ihrer Amtszeit auch Privilegien, so z.B. auf dem Lande durften deren Kuh oder Ochse auf dem dörflichen Anger weiden. In der Stadt waren die Amtsinhaber während des Regentschaftsjahres z. B. von der städtischen Branntweinsteuer befreit.

In der Stadt und auf dem Lande leitete das Schießen ein "Pritschenmeister" nach einem strengen Protokoll und Zeremoniell. Dieser setzte die Strafen – zu Beginn des Schießens – fest und bestrafte schon mal Schützen, die es mit der Ehrlichkeit bzw. mit den Sitten nicht so ernst nahmen, durch Schläge mit der Pritsche! Pritschenmeister waren weitgereiste Leute, auffallend bunt gekleidet, streng bei der Aufsicht und sorgten stets mit Späßchen und Witzen für gute Laune bei den Schützen. Diese Pritschenmeister leiteten das Schießen nach einem feierlichen Zeremoniell.

Wenden wir uns dem Vogelschießen der Gegenwart in der Schützengesellschaft zu! Geschossen wird - da nach dem Krieg Feuerwaffen den Deutschen untersagt waren - mit der Armbrust, und dabei ist es dann auch geblieben, auf einen Holzadler nach einer zwingend vorgeschriebenen Schussreihenfolge: Krone – Zepter – Reichsapfel – linke Kralle – rechte Kralle – linker Flügel – rechter Flügel – Schwanz – Kopf – Korpus. Schützenkönig wird derjenige Schütze der den Korpus vom Zapfen schießt. Teilnahmeberechtigt am Vogelabschuss sind diejenigen ordentlichen Mitglieder der Schützengesellschaft, die eine Einlage entrichtet haben. Freischüsse sind: Kreuzchen Krone, Kreuzchen Reichsapfel, Maulring und Fähnlein, die Freischüsse unterliegen nicht der Abschussreihenfolge, müssen aber vom Schützen angesagt werden!

Der Vogelkönig in der Schützengesellschaft wird durch Los ermittelt! In einer Lostrommel befinden sich Namenskarten aller ordentlichen Mitglieder der Schützengesellschaft. Jeder Schuss wird vom Vogelschützen auf das Los eines der Mitglieder aus der Lostrommel abgegeben. Dies ist faktisch so, wird aber aus Zeitmangel nur beim Abschuss einzelner Vogelteile angewendet. Der Vogelkönig sollte möglichst aus den nicht am Vogelabschuss beteiligten ordentlichen Mitgliedern der Schützengesellschaft kommen, leider lässt sich dies nicht immer verwirklichen. Da Frauen ordentliche Mitglieder der Schützengesellschaft werden können, sind Königswürden auch von ihnen wahrzunehmen.

Dem Vogelschießen steht der Vogelschützenmeister vor, der den Ablauf nach einem alten, festgeschriebenen Zeremoniell der Vogelschützen der Schützengesellschaft durchzuführen hat. Es ist davon auszugehen, dass früher Pritschenmeister aus Zwickau stets Rehau besuchten, denn Wortlaut und Ablauf des Zeremoniells ähneln sehr. Im Vogelschützenzimmer gilt die von den Vogelschützen festgelegte Schießordnung! Der Höhepunkt des Vogelschießens wird zweifellos am Montag erreicht. Routinemäßig gehen diesen Tag die Vogelschützen gelassen an. Nach einem kräftigen Frühstück wird der Vogelabschuss, der entweder am Samstag oder Sonntag zuvor begann wieder aufgenommen und nur zum gemeinsamen Mittagsmahl mit den Mitgliedern samt Familien unterbrochen. Nach fairem Kampf, der den einzelnen Vogelteilen gilt, naht am späten Nachmittag der Abschuss des Korpus, ist dieser gefallen, steht der neue Schützenkönig fest. Bis es soweit ist, straft der Vogelschützenmeister die Vogelschützen bei Vergehen gegen die Schießordnung und bei sportlichem Fehlverhalten mit einer oder mehrerer Maß Bier (Straf- und Spreiß’l Maß) und beim Rupfen des Vogels ebenfalls in gleicher Weise hiervon sind jene Gäste die zu Ehrenschüssen eingeladen werden ebenfalls nicht ausgenommen. Sofern ein Vogelschütze die ihm zugedachte Strafe nicht aufbringt, muss dafür der Losinhaber gerade stehen! Dazu ist die Ziehung eines Loses erforderlich. Nötigenfalls fällen die Majestäten, so fern erforderlich, den Schiedsspruch.

In der Schützengesellschaft ist es Brauch, dass die Ehre des Schützenkönigs und die Würde des Vogelkönigs von einem Mitglied jeweils nur einmal wahrgenommen werden kann. Die sehenswerten, prächtigen Königsketten beider Majestäten sind sogenannte offene Ketten, d. h. es gibt keine zwingende Vorschrift, nach welcher die von den Königen zu stiftenden Medaillen zu gestalten sind. Schildform, ob klassisch oder als Rundschild herrschen vor, Namensgravur mit Bezug auf Handwerk, Beruf, Freizeit und Natur und geschichtlichen Ereignisse sind die häufigsten Themen. Die Vorjahresmajestäten übergeben die Ketten an ihre Nachfolger mit den Worten:

Schützenkönig: "Desgleichen nimm hin die Kette so wunderbar, die ich getragen in diesem Jahr und trag' sie in Ehren, wie ich es getan! So soll es geschehen nach uraltem Plan."

Vogelkönig: "Desgleichen trage diese Kette mit Würde, sie bringe Dir Freude und sei keine Bürde."Zu bewundern sind diese Ketten stets dann, wenn die Schützengesellschaft, ob in Rehau oder auswärts an Festumzügen teilnimmt.